Der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik beim Bundeslandwirtschaftsministerium hat eine Stellungnahme zur Koexistenz Gentechnik in der Land- und Ernährungswirtschaft vorgelegt. Er empfiehlt, die Anbauzulassungen für Gentech-Pflanzen auf die nationale Ebene zu verlagern. Die Haftungsregeln sollen weiter aufgeweicht und die Verunreinigung von Saatgut erlaubt werden.
Dem Beirat gehören 14 Professoren an, die ihre Empfehlungen als „kohärentes Gesamtkonzept“ verstanden wissen wollen. Es handele sich um Instrumente, die unter Abwägung verschiedener Gesichtspunkte und Interessen eine faire Güterabwägung ermöglichen sollen. „Es ist aus Sicht des Beirats nicht zulässig, einzelne Vorschläge aus diesem Instrumenten-Mix herauszugreifen, ohne den Gesamtzusammenhang zu beachten“, schreiben die Gutachter. Von den insgesamt zwölf Empfehlungen könnten Gentechnik-Kritiker nur wenige unterschreiben, etwa die nach einer Kennzeichnung der Lebensmittel von Tieren, die mit Gen-Pflanzen gefüttert wurden. Auch Enzyme und Hilfsstoffe bei deren Herstellung Gentechnik im Spiel war, sollen langfristig gekennzeichnet werden.
In der aktuellen Diskussion um die Änderung des EU-Zulassungsverfahren schlägt der Beirat vor, die Verfahren für das Inverkehrbringen von Gentech-Pflanzen und deren Anbau zu trennen. Das Inverkehrbringen soll die EU auf der Basis der Gutachten ihrer Lebensmittelbehörde EFSA (wie bisher) erlauben. Die Entscheidung für einen Anbau soll auf nationaler Ebene fallen und sozioökonomische Kriterien einbeziehen. Für Saatgut empfehlen die Professoren einen Kennzeichnungsschwellenwert von 0,3 Prozent. „Zum Schutz der GV-freien Saatzuchtunternehmen sollen um die Zuchtgärten und -stationen der Züchter GV-freie Anbaugebiete kulturarten-spezifisch ausgewiesen werden.“ Bei den Haftungsregeln sollte nach Ansicht des Beirats klargestellt werden, dass „nur Verunreinigungen oberhalb des Kennzeichnungsschwellenwertes von 0,9 Prozent eine Haftung der GV-Landwirte auslösen“. Für Schäden innerhalb der Lebensmittelkette soll ein Haftungsfonds eingerichtet werden, an dem die Gutachten auch den Staat und die gentechnikfreie Landwirtschaft beteiligen wollen.
Ausgeklammert hat er Beirat von vorneherein den Umgang mit Gentech-Pflanzen, die bereits in Drittländern zugelassen sind, in der EU jedoch weder angebaut noch in Verkehr gebracht werden dürfen. Hier gilt bisher eine Nulltoleranz, die vor allem von der Futtermittelindustrie scharf angegriffen wird. Völlig vergessen haben die Professoren die Koexistenz der Imker. Die Wörter Imker und Bienen kommen in der Stellungnahme nicht vor. Scharfe Kritik an dem Gutachten kam von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Sie warf den Professoren vor, sie würden die EU-Gesetze zur Gentechnik bewusst falsch darstellen, „offenbar mit dem Ziel, der Verunreinigung der Land- und Lebensmittelwirtschaft mit gentechnisch veränderten Organismen aktiv Vorschub zu leisten.“ Das habe nichts mit Wissenschaft zu tun, sondern sei „interessengeleiteter Meinungsmache“. Die Assoziation ökologischer Lebensmittel-Hersteller teilte mit, die Empfehlung „spiegelt eine unreflektierte Technikgläubigkeit wieder und widerspricht dem gesunden Menschenverstand.“