Gerichtsverfahren: Schützt Unwissenheit vor Umpflügen?

Dürfen gentechnisch veränderte Pflanzen, für die keinerlei Anbaugenehmigung vorliegt, auf dem Acker verbleiben, nur weil der Bauer bei der Aussaat nicht wusste, dass das Saatgut gentechnisch verunreinigt war? Um diese Frage dreht sich eine Verhandlung des Bundesverwaltungsgerichtes am 29. Februar in Leipzig.

In dem Fall mit dem Aktenzeichen BVerwG 7 C 8.11 geht es um zwei hessische Bauern, die auf ihren Feldern Raps ausgesät hatten. Der Anbieter des Saatguts hatte es auf gentechnisch veränderten Organismen untersuchen lassen; das Labor konnte keine Verunreinigungen nachweisen. Als die staatlichen Futtermittelkontrolleure das Saatgut untersuchen ließen, fanden sich geringe Spuren gentechnisch veränderter Rapssamen. Weil dieser Gentech-Raps in Europa nicht angebaut werden darf, ordnete das Land Hessen an, den Raps umgehend unterzupflügen. Das taten die Bauern, klagten aber gegen das Vorgehen des Landes Hessen. Während das Verwaltungsgericht Kassel die Auffassung des Landes bestätigte, hielt der Hessische Verwaltungsgerichtshof die Anordnung der Behörden für unverhältnismäßig, weil die Bauern nicht gewusst hätten, dass das Saatgut gentechnisch verunreinigt war. Deshalb sei die Aussaat kein gezieltes Ausbringen gewesen und habe folglich keine nach dem Gentechnikgesetz genehmigungspflichtige Freisetzung darstellen können.

Mehrere Imkerverbände appellierten an das Bundesverwaltungsgericht, dem Land Hessen Recht zu geben. Unkenntnis dürfe nicht zum Freibrief für Gentechnik auf dem Acker werden. „Ungenehmigt angebauter gentechnisch veränderter Raps muss schon deshalb in jedem Fall umgepflügt werden, weil sein Pollen sonst in den Honig gelangt, der damit seine Verkehrsfähigkeit verliert“. Sollte das Bundesverwaltungsgericht jedoch der Auffassung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes folgen „sind nicht nur die Existenz der gesamten Imkerschaft und die Zukunft der Bienenhaltung gefährdet. Es steht vielmehr auch die gentechnikfreie Landwirtschaft insgesamt auf dem Spiel und die freie Entscheidung der Verbraucher darüber, welche Lebensmittel auf ihren Tisch kommen“, warnt Thomas Radetzki, Vorstand des ökologischen Imkerverbands Mellifera.