Die EU-Kommission hat einen Richtlinienvorschlag vorgelegt, mit dem sie die geltenden EU-Lebensmittelvorschriften für Honig ändern will. In dem Vorschlag bezeichnet die Kommission Pollen als „natürlichen Bestandteil“ von Honig. Dieser Vorstoß hat die Imkerverbände massiv verärgert.
Die Imker werfen der Kommission vor, dass sie mit ihrem Richtlinienentwurf das Gentechnik-Urteil des europäischen Gerichtshofs vom Herbst 2011 unterlaufen will. Der EuGH hatte festgestellt, dass Pollen im Sinne des Gentechnikrechts wie eine Zutat zu betrachten sei. Das würde dazu führen, dass Honig, der Pollen einer als Lebensmittel zugelassenen genmanipulierten Pflanze enthält, gekennzeichnet werden müsste. Und zwar spätestens dann, wenn der Gen-Pollen 0,9 Prozent des Gesamtpollengehalts ausmacht. Das hätte zahlreiche Honige aus Südamerika und Kanada betroffen. Wären die Pollen ein natürlicher Bestandteil des Honigs, müsste Gen-Pollen erst deklariert werden, wenn er 0,9 Prozent des gesamten Honigs ausmacht. Honig enthält jedoch maximal 0,5 Prozent Pollen. Die Kennzeichnungspflicht wäre also elegant ausgehebelt.
Ebenso erbost die Imker, dass die Formulierung der EU-Kommission im Umkehrschluss bedeutet, dass auch GVO-Pollen ein natürlicher Bestandteil des Honigs sei. Sie befürchten, dass dies als Argumentation dienen könnte, auch Pollen von genmanipulierten Pflanzen im Honig zu tolerieren, die keine Lebensmittelzulassung haben.
„Hier soll offenbar eine Richtlinie geändert werden, weil sie den Interessen der Gentechniklobby widerspricht“, schimpft Thomas Radetzki, Sprecher des Bündnisses zum Schutz der Bienen vor Agrogentechnik. Peter Maske, Präsident des Deutschen Imkerbundes, sagt: „Der Vorschlag der Kommission löst keines unserer Probleme mit dem Anbau gentechnisch veränderter Lebensmittel.“
Die EU-Kommission versichert in ihrer Mitteilung: „Dieser Kommissionsvorschlag betrifft nicht die Schlussfolgerung des Gerichtshofs zur Anwendung der GVO-Vorschriften auf genetisch veränderten Pollen in Lebensmitteln.“ Als nächstes muss sich das Europaparlament mit dem Vorschlag befassen.