Spannende Reportage: Warum das Agro-Business so scharf auf TTIP ist

Der grüne Europa-Abgeordnete Martin Häusling hat eine Reportage in Auftrag gegeben. Der Journalist Peter Kreysler hat in Berlin, Brüssel und den USA nach Motiven gesucht, die hinter TTIP stecken. Und er hat einiges gefunden.

Die Reportage beginnt mit einem knalligen Zitat: „Wenn uns jetzt Politiker erzählen, wir brauchen keine Angst zu haben; alles bleibt wie es ist. Da würde ich sagen, entweder wissen sie nicht wovon sie reden oder sie erzählen uns bewusst dummes Zeug!“ Das sagt kein Campact-Aktivist sondern Wolfgang Köhler, ein Jurist, der jahrelang als Referatsleiter im Bundeslandwirtschaftsministerium das Thema Agro-Gentechnik bearbeitete. Köhler nimmt sich anschließend das bereits fertig verhandelte Freihandelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada vor. Für ihn wird in dem kurzen Absatz über Biotechnologie (auf Seite 442) das Null-Toleranz-Prinzip der EU bei Saatgutverunreinigungen schlicht ausgehebelt.

In Brüssel lässt sich Kreysler von der lobbykritischen Organisation Corporate Europe Observatory (CEO) über die Vorbereitungen der TTIP-Gespräche berichten. Rund 500 mal trafen sich Kommissionsbeamten mit Lobbyisten der Privatwirtschaft. Bei einem Viertel aller Treffen saßen Vertreter des Agro-Business am Tisch. Sehr oft hätten die Lobbyisten von beiden Seiten des Atlantiks gemeinsame Papiere vorgelegt. Ein Lobby-Anwalt schreibt ganz offen: „Die EU-US-Freihandelsverhandlungen werden den US-Unternehmen eine zweite Chance geben, ihre Interessen effektiv in Europa zu implementieren.“ Und ein andere sagt: „Wir sehen das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP als eine Chance, unsere Schwierigkeiten mit Europa, die wir bezüglich genetisch veränderter Lebensmittel hatten, zu überwinden.“

Kreysler beschreibt auch, wie die Gentech-Konzerne ihre Interessen Anfang der 90-er Jahre in den USA implementierten. Anfang der 90-er wurde Michael Taylor, der als Anwalt für Monsanto arbeitete, zum Leiter der Lebensmittelsicherheit in der US-Behörde FDA berufen. Währen er dort tätig war, wurde – gegen die Empfehlung zahlreicher FDA-Wisenschaftler beschlossen, dass es keinen Unterschied zwischen Gennahrung und nicht genetisch veränderter Nahrung gäbe. „Michael Taylor wechselte dann ins Landwirtschaftsministerium und beeinflusste auch dort die Gesetzgebung pro Gentechnologie. Dann wurde er Vize-Präsident und Cheflobbyist von Monsanto. Und schließlich holte ihn die Obama-Administration zurück zur FDA“, beschreibt der Journalist die Karriere des Monsanto-Mannes. Und noch ein Beispiel nennt er: „Noch bis vor kurzem war der verantwortliche TTIP Verhandlungsleiter für Landwirtschaft Islam Siddiqui. Er kam von Croplife, einem PR- und Industrieverband der Pestizid-Hersteller.“ Dessen Mitglieder: Monsanto, BASF, Bayer, Syngenta und Dow Agroscience. Kreysler berichtet auch, dass es 500 offizielle Berater, fast alle Industrie-Lobbyisten, gebe, die einen exklusiven Zugang zu den TTIP-Verhandlungsdokumenten hätten. „Auch greifen sie direkt in die Verhandlungen ein, indem sie sich direkt mit der US-TTIP Delegation beraten können.“
Kreyslers Kommentar dazu: „Wenn ich überlege, dass sich die EU-Parlamentarier erst kürzlich das Recht erkämpft haben, in einem Leseraum in die Dokumente schauen zu dürfen, finde ich diesen exklusiven Zugang von Seiten der US-amerikanischen Industrie schon erstaunlich.“