Der Ausschuss für Landwirtschaft und Ernährung hatte diese Woche zu einer öffentlichen Anhörung geladen: Thema war die Gefährlichkeit des Herbizidwirkstoffs Glyphosat und dessen unterschiedliche Bewertung. Deutliche Kritik internationaler Experten gab es am Bundesinstitut für Risikobewertung.
So schrieb Ivan Rusyn, Mitglied der Internationalen Krebsforschungsagentur IARC der WHO, in seiner Stellungnahme: „Darüber hinaus sieht es danach aus, als spiele der BfR-Neubewertungsbericht über Glyphosat (Fassung vom 18. Dezember 2013) positive Erkenntnisse über Kanzerogenität in Tieruntersuchungen auf der Grundlage von Dosisbetrachtungen wiederholt herunter.“ Sein Fazit: Der BfR-Bewertungsbericht habe sich „nicht sachgerecht an die Verordnung (EG) 1272/2008 gehalten.“
Christopher Portier, langjähriger Leiter des Toxikologieprogramm der US-Gesundheitsbehörde, stellte fest, dass Glyphosat „genotoxisch“ sei, jedoch das BfR aufgrund der unterschiedlichen Bewertung einzelner Studien zu anderen Schlüssen komme. Detailliert ging er auf diese unterschiedlichen Bewertungsprozesse ein und schrieb: „Der IARC-Prozess ist gut etabliert und veröffentlicht und legt einen offenen und transparenten systematischen Bewertungsablauf fest. Auch das BfR verfügt über einen Leitfaden, doch sind einige Evaluierungsaspekte in dem BfR-Leitfaden nicht so klar umrissen.“ Insbesondere gebe es keine klaren Anweisungen, wie Belege in Studien zu beurteilen seien.
Das BfR hielt dagegen, dass der IARC Stoffe nach ihrem grundsätzliche Gefährdungspotential einstufe, nicht aber das mit der Nutzung verbundene tatsächliche Risiko bewerte. Außerdem würden die Krebsforscher nur öffentlich zugängliche Studien berücksichtigen, während das BfR auch auf die unveröffentlichten Zulassungsstudien der Industrie zurückgreife könne. Während die anwesenden Wissenschaftler die Veröffentlichung solcher Studien und mehr Transparenz forderten, ging das BfR auf dieses Thema nicht ein.
Parallel zur Ausschussanhörung legten auch die Umweltverbände noch einmal nach. Das Pestizid Aktionsnetzwerk PAN veröffentlichte zusammen mit Campact eine Analyse des Toxikologen Peter Clausing, der dem BfR „Auslassungen und die Verdrehung von Fakten“ vorwarf. Die Behörde habe „wichtige Ergebnisse übersehen und zahlreiche Publikationen nicht berücksichtigt. Dies alles nähre den Verdacht, „dass Absicht im Spiel war“. Der BUND hat in einem Bericht noch einmal die Zulassungsgeschichte von Glyphosat aufgearbeitet und dabei die „Industrienähe der Behörden“ und die Kontinuität in den zuständigen Behörden in den Focus gerückt. „Problematisch ist eine solche personelle Kontinuität, da Mitarbeiter von Behörden, die im ersten Zulassungsverfahren dem Wirkstoff Glyphosat in Deutschland als auch auf EU-Ebene quasi doppelt Unbedenklichkeit bescheinigten, nun an zentralen Behördenpositionen im Wiederzulassungsprozess ihr eigenes Urteil erneut überprüfen sollen. Hier liegt ein möglicher Interessenkonflikt vor, da das Revidieren der eigenen Bewertung die Glaubwürdigkeit der Erstbewertung in Frage stellen könnte. Zudem werfen die personellen Kontinuitäten die Frage auf, ob eine veränderte Sicht auf den Wirkstoff möglich ist oder sich Bewertungsschemata Einzelner übermäßig auf das gesamte Bewertungsverfahren auswirken.“