Urs Niggli, Direktor des Forschungsinstituts für Biologischen Landbau (FiBL), hat sich in einem Interview in der taz positiv zu einzelnen Aspekten der gentechnischen Methode CRISPR/Cas in Bezug auf Pflanzenzüchtung geäußert. Darauf haben die im Verein saat:gut zusammengeschlossenen ökologischen Pflanzenzüchter mit einem offenen Brief reagiert. Sie fordern darin den Stiftungsrat des FiBL auf Niggli einen Maulkorb zu verpassen. Bei CRISPR/Cas handelt es sich um eines der umstrittenen neuen Verfahren, mit denen gezielt in das Erbgut von Lebewesen eingegriffen werden kann.
In dem taz-Interview sprach Niggli der CRISPR/Cas-Methode ein großes Potential zu und fügte hinzu: „Sie hat aber wie jede Technologie auch Risiken und kann falsch verwendet werden. Das sollte man für jede Anwendung einzeln bewerten, statt diese Technik generell abzulehnen.“ Auf die Frage nach einer möglichen sinnvollen Anwendung sagte Niggli: „Man kann zum Beispiel Gene für Krankheitsanfälligkeit ausschalten oder Resistenzgene aus der verwandten Wildpflanze wieder in moderne Sorten einführen. Das sind Eigenschaften, die zum großen Teil durch die Züchtung auf Ertrag oder Qualität in den letzten hundert Jahren verloren gegangen sind. Da könnte man tatsächlich in großem Maßstab Pestizide einsparen.“ Als konkretes Beispiel nannte der Forscher die Pilzkrankheit Falscher Mehltau, gegen die Ökobauern kupferhaltige Mittel einsetzen müssten. Im Gegensatz zum Mainstream in der Bio-Branche plädierte Niggli dafür, die neuen Pflanzenzüchtungsverfahren nicht pauschal dem Gentechnikrecht zu unterwerfen, sonder jeden Einzelfall entsprechend dem jeweiligen Risiko zu behandeln. Mit Hilfe von CRISPR/Cas hergestelltes Saatgut und die daraus entstandenen Früchte sollten aber auf jeden Fall gekennzeichnet werden. Niggli ging in dem Interview davon aus, das die Bio-Branche bei ihrer grundsätzlichen Ablehnung der Technik bleibt und wies auf eine Konsequenz hin: „Das bedeutet, dass die Ökoszene ihre Anstrengungen für die eigene Züchtung vervielfachen muss.“
Die Ökozüchter sahen Nigglis Interview jedoch nicht als Plädoyer, mehr Geld in die Ökozüchtung zu investieren sondern als Angriff auf die Glaubwürdigkeit der ganzen Branche: „Willentlich und wissentlich setzt sich Prof. Niggli über den bekundeten Willen der deutschen Biobranche hinweg und diskreditiert die gemeinsamen Anstrengungen der Erzeuger-, Verarbeiter- und Verbraucherverbände. Er brüskiert das Vertrauen unserer Kunden und sät Zweifel an unserer Haltung zur Gentechnik“, heißt es in dem offenen Brief, der sich an den Stiftungsrat des FiBL in der Schweiz richtet sowie an den Vorstand von FiBL Deutschland. Besonders verärgert hat die Züchter „die Implikation, die ökologische Pflanzenzüchtung sei langwierig, umständlich und nicht finanzierbar(zu teuer).“ Ein besonderer Tiefpunkt sei „das Übernehmen der Argumente der Gentechnik-Lobby: was, wenn der konventionelle Landwirt eine resistente Kartoffelsorte hat und der biologisch wirtschaftende Nachbar nicht.“ Als Unterzeichner fordern die Züchterin Barbara Maria Rudolf sowie Heinz-Peter Christiansen und das Team von Christiansens Biolandhof als Unterzeichnerzeichner Stiftungsrat und den Vorstand auf, „ihre Mitarbeiter darauf zu verpflichten, in ihren öffentlichen Äußerungen zu den Zielen und Inhalten des Ökolandbaus zu stehen und die gemeinsamen Anliegen der Biobranche zu befördern, nicht konterkarieren!“
Ausführlich nimmt Urs Niggli auch in einer Diskussion auf 3sat Stellung.