Der Bioökonomierat hat „die Politik“ aufgefordert, das EU-Gentechnikrecht zu modernisieren. Notwendig sei eine „Regulierung, die zwischen Mutationen und Gentransfers unterscheidet und risikoorientierte Verfahren für die Zulassung und Freisetzung vorsieht“. Der Rat ist ein 2009 eingerichtetes Gremium aus Wissenschaftlern und Firmenvertretern, dessen 17 Mitglieder die Bundesregierung beraten.
Nach Ansicht des Rates wäre es unverantwortlich „die EU dauerhaft von einer technologischen Entwicklung abzukoppeln, die große Potenziale für Nachhaltigkeit und menschliches Wohlergehen bietet und die deshalb die Entwicklung der Bioökonomie im Rest der Welt immer stärker prägen wird.“ Auch werde es auf Dauer nicht gelingen, „den Import von Produkten zu verhindern, die unter Verwendung von Genome Editing erzeugt wurden.“ Es sei jedoch keine Lösung, auf eine komplette Deregulierung zu setzen. Manche Einsatzfelder könnten „durchaus erhöhte Risiken mit sich bringen, und deshalb sind hier erhöhte Schutzvorschriften erforderlich“, heißt es in der Stellungnahme des Rates. Deshalb sei eine „differenzierte Betrachtung der Technologie und ihrer Anwendungsgebiet“ gefragt. Dies könne das aktuelle EU-Gentechnikrecht nicht leisten, es bediene statt dessen „die gefühlsmäßige Haltung vieler Bürger, die neue Technik wegen risiko- oder ethikbezogener Bedenken verbieten zu wollen.“
Der Bioökonomierat fordert deshalb, das EU-Gentechnikrecht zeitnah anzupassen und abgestufte Genehmigungs- und Zulassungsverfahren für unterschiedliche Risikoklassen einzuführen. So könnten etwa gentechnische Veränderungen von nur wenigen Basenpaaren ungeregelt bleiben, während Eingriffe, „bei denen größere Genabschnitte (zum Beispiel mehr als 20 Basenpaare) verändert werden oder ein Transfer von Gensequenzen über Artgrenzen hinweg erfolgt“, weiterhin nach Gentechnikrecht geregelt würden. Ein „besonders hohes Schutzniveau“ sei notwendig, wenn es um die Freisetzung manipulierter Schadinsekten gehe. Der Rat behauptet, dass sich gentechnische Punktmutationen oder der präzise Einbau arteigener Gene nicht eindeutig nachweisen lassen und plädiert dafür, die Gentechnik-Kennzeichung „auf größere, artfremde Genomveränderungen, die eindeutig nachweisbar sind“ zu beschränken. Ansonsten wäre „keine Rechtssicherheit im Warenverkehr gegeben“.
Der Rat verlangt auch mehr Engagement in der staatlichen Forschungsförderung. Ein Biodiversitätsmonitoring in der Agrarlandschaft müsse aufgebaut werden. Auch sei es „dringend erforderlich, die vielen offenen Fragen bezüglich Eigentumsrechten, ‚Open-Source’-Daten und Technologien, Wirtschaftsstrukturen und ‚global governance’ einer systematischen wissenschaftlichen Bearbeitung zuzuführen.“ Auch brauche es neue Formen des gesellschaftlichen Dialogs über Genome Editing. Der Rat empfiehlt dafür dialogorientierte Verfahren, „die auf Bürgerbeteiligung und demokratische Öffentlichkeit ausgerichtet sind.“