Über einen Vitamin-Zusatz gelangten gentechnisch veränderte Bakterien mit Antibiotika-Resistenzen europaweit in Tierfuttermischungen. Die Verbraucherorganisation Foodwatch spricht davon, dass Hunderttausende Tonnen betroffen sein könnten und wirft der EU-Kommission zögerliches Vorgehen vor.
Anfang Oktober 2018 meldeten die belgischen Behörden im EU-Warnsystem RASFF, dass sie ein „nicht zugelassenes gentechnisch verändertes Bakterium (Bacillus subtilis) in Vitamin B2 (Futtermittel) aus den Niederlanden“ gefunden hätten. Vitamin B2 wird zumeist mit Hilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen wie dem Bacillus subtilis hergestellt. Doch im Normalfall sind die aufgereinigten Vitamine frei von Rückständen des Bakteriums. Hier waren sie es nicht.
Nach Informationen von Foodwatch seien „in diesem Jahr mindestens acht Tonnen des mit gentechnisch veränderten Bakterien belasteten und damit illegalen Vitamin-B2-Präparats aus China über den niederländischen Futtermittelhersteller Trouw Nutrition nach Europa gelangt“. Und das nicht zum ersten Mal. 2014 fanden deutsche und britische Behörden schon einmal gentechnisch-veränderten Bacillus subtilis in Vitamin B2 Granulat aus China, das für Futtermittel gedacht war. Bereits 2010 hatte der chinesische Hersteller die EU-Zulassung für seinen Riboflavin-Futterzusatz beantragt. In der Folge wies das Labor eines Mitgliedsstaates nach, dass Proben des Zusatzstoffes mit gentechnisch veränderten Bakterien aus der Herstellung verunreinigt waren. Doch erst im September 2018 entzog die EU-Kommission dem chinesischen Zusatzstoff die Zulassung, nachdem die EU-Lebensmittelbehörde EFSA im März 2018 festgestellt hatte, dass derVitaminzusatz ein Risiko für Tiere, Verbraucher und die Umwelt darstelle. In ihrer Verbotsverordnung berichtet die Kommission ausführlich über die achtjährige Vorgeschichte und stellt ihr zögerliches Handeln dar.
„Es ist erschütternd, wie die EU-Kommission nicht nur die gesundheitlichen Risiken gentechnisch veränderter Organismen ignoriert, sondern auch die völlig unnötige Verbreitung von Antibiotikaresistenzen durch illegale Futter-Zusatzstoffe jahrelang billigend in Kauf nimmt“, erklärte Matthias Wolfschmidt, Kampagnendirektor von Foodwatch. „EU und Landwirtschaftsministerium haben die Gesundheit der Verbraucher wissentlich missachtet“, sagte Renate Künast, ernährungspolitische Sprecherin der Bundestags-Grünen, gegenüber dem Magazin Spiegel. Für Christoph Then, Geschäftsführer von Testbiotech, zeigt der Fall, „dass die EU-Kommission mit den Risiken gentechnisch veränderter Organismen zu nachlässig umgeht. Diese Bakterien hatten die Möglichkeit, sich über Jahre in den Tierställen auszubreiten und ihre Resistenzen an andere, gesundheitsgefährdende Keime weiterzugeben.“
Auch das Futter von Bio-Tieren darf zugesetzte Mineralstoffe und Vitamine enthalten. Diese müssen allerdings gentechnikfrei hergestellt werden Noch gebe es genug gentechnikfreies Vitamin B2 auf dem Markt, sagte der Leiter einer großen Bio-Kontrollstelle. Doch die Versorgung sei gefährdet. Das Bundesprogramm Ökolandbau fördert aktuell ein Verbundvorhaben des Forschungsinstituts für Biologischen Landbau, das neue Quellen für Vitamin B2 erschließen soll.