Noch nie wurde der Vorstand einer großen deutschen Aktiengesellschaft derart abgestraft. Nach einem 12-stündigen Rede-Marathon mit über 60 Beiträgen stimmten am Freitag abend 55,5 Prozent der Aktionäre gegen die Entlastung des Vorstands. Sie erteilten damit Bayer-Chef Werner Baumann die Quittung für den Absturz der Bayer-Aktien durch den von ihm hartnäckig verteidigten Monsanto-Kauf.
Rechtliche Folgen hat dieses historische Misstrauensvotum nicht und auch Rücktrittsforderungen habe es auf der Hauptversammlung nicht gegeben, berichtete Dow Jones Newswire. Dekabank-Fondsmanager Ingo Speich habe sogar davor gewarnt, die Führungsriege zum aktuellen Zeitpunkt auszutauschen. Ein neues Management müsse sich erst einarbeiten. „Niemand kann wollen, dass neben all dem Chaos auch noch das Tagesgeschäft brachliegt“, sagte Speich.
Dem Aufsichtsrat des Konzerns erteilten die Aktionäre Entlastung, allerdings nur mit einer Zustimmungsquote von 66 Prozent – auch das gilt als deutliches Misstrauensvotum. Nach der sensationellen Niederlage des Vorstands trat der Aufsichtsrat noch in der Nacht zu einer Sondersitzung zusammen und stellte sich einstimmig hinter den angeschlagenen Bayer-Chef Werner Baumann und die Monsanto-Übernahme. „Wir nehmen das Abstimmungsergebnis der Hauptversammlung sehr ernst“, erklärte Aufsichtsratschef Werner Wenning. Das Gremium werde den Vorstand dabei unterstützen, das Vertrauen der Aktionäre in das Unternehmen und seine Strategie „schnellstmöglich und vollständig wieder zurückzugewinnen“. Höchste Priorität habe dabei „die entschiedene und erfolgreiche Verteidigung in den anstehenden Berufungsverfahren und Gerichtsverhandlungen zu Glyphosat.“ Die Zahl der Verfahren hat weiter zugenommen. Am 11. April waren es nach Angaben von Bayer 13.400 Klagen, 2.200 mehr als im Januar dieses Jahres.
Ausführlich berichtete das Manager-Magazin in einem Live-Ticker von der Hauptversammlung. Vor den Türen des Saales protestierten Hunderte Umweltschützer und Menschenrechtler gegen die Geschäftspolitik des Konzerns. Sie hatten ihre Kritik am Tag zuvor den Medien präsentiert und eine kritische Bilanz veröffentlicht.