Gentech-Weizen: Argentinien erlaubt Anbau

Weltweit erstmals hat ein gentechnisch veränderter Weizen die Zulassung für den kommerziellen Anbau bekommen. Es ist die in Frankreich und Argentinien entwickelte Weizenlinie HB4. Sie enthält ein Gen der Sonnenblume und soll dadurch gegenüber Trockenheit und salzigen Böden tolerant sein. 16 Jahren lang hat die argentinische Firma Bioceres die Pflanze entwickelt, zusammen mit dem französischen Pflanzenzüchter Florimond Desprez. Die ersten Feldversuche starteten bereits 2009. Dabei soll der Weizen nach Firmenangaben bei Trockenheit bis zu 20 Prozent höhere Erträge geliefert haben als Vergleichssorten.
Damit die Weizensorte tatsächlich kommerziell genutzt werden könne, müsse sie allerdings „von Brasilien gebilligt werden, dem wichtigsten und historischen Markt für argentinischen Weizen“, zitierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) die argentinische Zulassungsbehörde. Immerhin seien 2019 45 Prozent der 11,3 Millionen Tonnen Weizen, die Argentinien ausführt, an das Nachbarland geliefert worden. Auch in den USA, Uruguay, Paraguay und Bolivien arbeiteten die Behörden bereits an der Zulassung von HB4-Weizen, teilte Bioceres mit. Für Australien, Russland sowie einige afrikanische und asiatische Länder würden Zulassungsanträge vorbereitet. Ob die Zulassungen alleine ausreichen, um den Gentech-Weizen erfolgreich auf den Markt zu bringen, ist offen. Selbst große Konzerne wie Monsanto scheiterten damit, gentechnisch veränderten Weizen zu etablieren. Experten von Argentiniens nationalem Institut für Saatgut hätten sich beunruhigt über die Zulassung von HB4 geäußert und auf die fehlende Akzeptanz der Verbraucher verwiesen, schrieb die FAZ. Selbst wenn Brasilien HB4 erlaube, heiße das nicht, dass Getreidemühlen, Bäckereien und Verbraucher den Gentech-Weizen kauften, sagten die Experten und warnten vor Presiabschlägen.
Im Wartestand befindet sich auch die HB4 Sojabohne, die in Argentinien bereits zugelassen ist. Die Zulassungsprozesse in Brasilien, Paraguay und den USA seien abgeschlossen, teilte Bioceres bereits im Frühjahr 2020 mit. Doch noch fehlt die Importzulassung von China, dem bei weitem wichtigsten Abnehmer für Sojabohnen aus Nord- und Südamerika. Für die EU, die ebenfalls große Mengen gv-Soja aus Südamerika importiert, hat Bioceres keinen Zulassungsantrag für den Import als Lebens- und Futtermittel gestellt. Das Unternehmen propagiert den abwechselnden Anbau seiner beiden HB4-Pflanzen. In einer Präsentation für Investoren schreibt Bioceres, man habe eine Warteliste interessierter Landwirte, die groß genug sei, um die Produktion von Saatgut hochzufahren.
Mit einer Weizenernte von 155 Millionen Tonnen 2019 kann sich die EU gut selbst versorgen und führt selbst Weizen aus. Gleichzeitig importiert sie im Jahr rund fünf Millionen Tonnen Weizen, darunter viel Hartweizen für Pasta. Aus Argentinien kamen 2018 und 2019 laut Eurostat gerade mal 1342 und 659 Tonnen Weizen in die EU, meldete der Verband Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG). Ein Grund sich entspannt zurückzulehnen sei das nicht, kommentierte VLOG-Geschäftsführer Alexander Hissting. Frühere Verunreinigungsfälle hätten gezeigt, wie schnell sich ein gentechnischer Event in globalen Handelsketten ausbreiten könne. „Bisher haben sich weltweit Verarbeiter, Händler und Verbraucher erfolgreich gegen gentechnisch veränderten Weizen gewehrt”, sagte Hissting. „Wir hoffen, dass die Abnehmer den argentinischen Händlern ein klares Signal senden, dass dieser Weizen auf dem Weltmarkt nicht erwünscht ist“.